Das Hexengrab

Unter den alten Bäumen im Dübener Friedhofe, an der Mauer der Friedenskapelle, liegt still ein kleines Grab. Der Stein zeigt in weißem Marmor ein feines Frauengesicht mit edlen Zügen, Haar und Kleid mit dem Schal in der Tracht von 1800. Auf der Rückseite steht zu lesen, daß hier die junge Frau des Alaunwerk-Verwalters Wellner mit ihren beiden Kindern begraben liegt.

Der Faktor des Dübener Alaunbergwerkes war ein angesehener Mann in den besten Verhältnissen. Sein Haus kannte nicht Sorge noch Not, bis eines Tages das Schicksal mit rauher Hand eingriff. Die beiden Kindchen der Familie starben und wenige Tage darauf auch die Frau des Faktors in schweren Krämpfen. Traurigen Herzens gedachte der Mann seines vergangenen Glückes.

Das Volk aber sollte der toten Frau ein seltsames Denkmal setzen. Aus einer grauen Vorzeit, über ein vom Hexenwahn erfülltes finsteres Mittelalter hatte es die Vorstellung herübergebracht, daß Menschen, die an Krämpfen leiden oder sterben, vom Teufel besessen seien. So wurde die auf so tragische Weise gestorbene ehrsame und tugendhafte Frau Anna Elisabeth Wellner alsbald als Hexe verschrien, und ihr Grab auf dem Friedhof in Düben heißt noch heutigentags „das Hexengrab“.

Da aber nach altem Aberglauben gegen die Macht der Hexen ein dreimaliges Ausspucken helfen soll, so kann man heute noch erleben, daß Kinder das Grab der armen Unschuldigen im Vorübergehen bespeien. Wenn man aber fragt, warum sie dies wohl tun, so sagen sie, daß hier eine alte böse Hexe begraben sei, die mit dem Teufel im Bunde gewesen. Und als die Teufel noch die Welt regierten und die Hexen mit lautem Gekicher auf feurigem Besen durch die Luft flogen!

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