Die Erzählung vom Arteser Brunnen

Schläft unter unserer Stadt etwa ein Riese?

Unheimlich ist es und gruselig kann es einem werden, wenn man um Mitternacht, wenn die meisten Menschen schlafen, am artesischen Brunnen an der Kirche vorbeigeht. Sobald man näherkommt, vernimmt man das Geräusch eines, in tiefem Schlaf liegenden, Schnarchers. Der Lautstärke nach müsste es sich um mindestens einen Riesen handeln, der dort irgendwo unter der Erde schläft. In Wirklichkeit kommt das Geräusch von dem stoßweise durch das Rohr laufende Wasser.

In früheren Zeiten, als die Menschen noch nicht aufgeklärt waren, und noch nicht wussten, dass alle Erscheinungen in ihrer Umgebung auf Naturgesetzen beruhen, hätte man wirklich an einen Riesen glauben können, der im Brunnen eingeschlafen ist. So entstanden aus rätselhaften Naturerscheinungen einst Sagen und Märchen!

Quelle: Heftchen Bad Düben „Der Ausblick August/September 1959“ Herausgeber: Rat der Stadt Bad Düben
 

Wahr ist, dass früher in Bad Düben 14 öffentliche artesische Brunnen sprudelten und gluckerten. Geologisch bedingt befanden sie sich vor allem im Zentrum der Stadt. Hier gab es außerdem eine große Zahl weiterer, ausschließlich privat genutzter, Brunnen. Durch den damaligen großen Überdruck konnte in den Häusern sogar in der 1.Etage Wasser entnommen werden. Bei einer Bohrung am tiefsten Punkt der Stadt, in der Nähe der jetzigen Muldebrücke, wurde eine Fontäne von 12 Metern Höhe ermessen. Für die höher gelegenen Bereiche der Stadt reichte der artesische Überdruck jedoch nicht aus. Nach 1974 versiegten die Brunnen aufgrund der Braunkohlegewinnung in den umliegenden Tagebauen und der Wasserentnahme durch das hiesige Wasserwerk.

Auch aus dem Stadtteil Schnaditz und der nahe liegenden Gemeinde Glaucha sind solche ehemaligen artesischen Brunnen aus mündlichen Überlieferungen bekannt, jedoch mit geringen Drücken. Ein wieder erwachter Arteser sprudelt seit Anfang 2002 sein Wasser aus 72 Meter Tiefe empor und speist den Schlossgraben des Wasserschlosses Schnaditz.

Der 2002 gewonnene Wettbewerb „Ab in die Mitte“ gab auch den Startschuss für die Wiedereröffnung eines Artesers im Stadtgebiet. Nach aufwendigen Vorbereitungen, Bodenuntersuchungen und Planungen gluckert seit 2008 wieder ein Arteser am Kur-Stadt-Weg. Seine feierliche Übergabe als Teil des Museumspfades nahmen Mitglieder des Heimatvereins und der Stadtverwaltung mit sehr viel Freude und einem kräftigen Schluck Wasser am Gründonnerstag 2009 vor. Die ungewöhnliche Brunnenfassung entspricht historischen Vorlagen. Fotos belegen dies, denn alle alten Brunnenfassungen waren längst dem Abriss zum Opfer gefallen.

Auch heute wird das Wasser aus der Tiefe vielseitig genutzt z.B. durch unser örtliches Wasserwerk sowie verschiedene Erdwärmesysteme.

Seinen Ursprung hat das Wasser in den eiszeitlichen Aufstauchungszonen der Dübener Heide. Sie reichen von Radis bis Bad Schmiedeberg und südlich bis zum Eisenhammer. Das Wasser hat eine vorzügliche Trinkqualität und besitzt nur einen leicht erhöhten Eisengehalt.

Früher war die Stadt für ihre charakteristischen Artesischen Brunnen weithin bekannt, denn sie sind eine geologische Besonderheit welche nur in wenigen Regionen vorkommt. Aus ihnen tritt gespanntes Wasser unter eigenem Überdruck zu Tage. Der nächste artesische Brunnen mit ähnlicher Ergiebigkeit ist in der Stadt Dresden zu finden.

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Textgrundlage: Raik Zenger, Bauakten aus dem Archiv der Stadtverwaltung