Ehrenbürger
Horst Stahnisch
Laudatio für Herrn Horst Stahnisch zum Ehrenbürger der Stadt Bad Düben von Herrn Siegried Krug, Bad Düben, d. 17. Januar 2008
Sehr geehrte Damen und Herren!
Am 08.10.2007 habe ich meinen Vorschlag, Herrn Horst Stahnisch zum Ehrenbürger der Stadt Bad Düben zu ernennen, auf den Weg gebracht. Dass die Stadtverordneten so schnell und einstimmig reagiert haben, hat mich sehr gefreut, aber nicht überrascht, nein, es war nicht nur mein lang ersehnter Wunsch und ich war mir klar, wenn nicht er, wer dann!
Ich fühlte mich danach in die Pflicht genommen, jungen Stadtverordneten und Bürgern (der Stadt) die Frage zu beantworten, wer ist denn Horst Stahnisch, was hat er für unsere Stadt getan? Bitte seien Sie nachsichtig mit mir, wenn ich deshalb das eine oder andere Mal über das Maß einer Laudatio hinausgehen muss.
Horst Stahnisch wurde am 08.07.1921 in Düben geboren (Seine Eltern waren einfache, fleißige und bescheidene Bürger). Er wurde dazu erzogen, Achtung und Respekt vor Erwachsenen und ihren Leistungen zu haben, eine begonnene Arbeit, wenn sie auch mit Schwierigkeiten (und Anstrengungen) verbunden ist, erfolgreich zuende zu bringen. Diese Tugenden, die auch heute in unserem Zusammenleben unverzichtbar sind, hat er in all seinen Lebensabschnitten erfolgreich in die Tat umgesetzt. Das bin ich meinen Eltern und meinen Meistern schuldig, das werde ich schaffen, ich werde sie nicht enttäuschen...
Mit dieser Lebenseinstellung hat er seinen Weg gemeistert. Seine Freunde, Sportkameraden, Arbeitskollegen, aber auch seine Vorgesetzten wussten, alles, was er in seinem Verantwortungsbereich zu erledigen galt, wurde mit kluger Hand erfüllt.
Als 12-Jähriger wurde Horst mit der Lebensrettungsmedaille ausgezeichnet, er hatte einen Mitschüler aus dem gefrorenen Mittelmühlen-Teich gerettet.
Nach 8 Jahren Volksschule begann er mit der Lehre eines Schornsteinfegers. Vielen seiner Freunde, Lehrlingen der gleichen Gilde, kam die Bezeichnung „Schornsteinfeger“ zu einfach vor, sein Rat war, sagt ganz einfach: „Hochobenstehenderoberkaminholraumreinigungs-Techniker“. Als Lehrling wurde er der Reichssieger im Berufswettstreit der Schornsteinfeger und anderer handwerklicher Berufe, seine theoretische und praktische Gesellenprüfung schloss er mit dem Prädikat „sehr gut“ ab, ein ¾ Jahr früher. Außerdem erhielt er von der Schornsteinfegerinnung den Staatspreis verliehen. Dass er gleichzeitig ins Buch der Begabtenförderung des Deutschen Aufbauwerkes aufgenommen wurde, sollte später für ihn noch von großer Bedeutung werden.
Dieser Reichssieger kam aus der kleinen Stadt Düben, viele kannten sie gar nicht, doch jetzt suchte man sie auf der Karte. Dass der Schwarze Mann mit dem Zylinder ein Glücksbringer ist (bzw. sein soll), kennen wir alle, aber wir wissen auch: „Glück hat auf die Dauer nur der Tüchtige“. Schon als Jugendlicher entdeckte er seine Liebe für den Fußballsport. Doch der II. Weltkrieg setzte seiner weiteren beruflichen und sportlichen Entwicklung ein vorzeitiges Ende.
Bei seinem (2.) Einsatz, dem Absprung über Kreta, im Mai 1941, er war Fallschirmjäger, wurde er schwer verwundet. Er hatte Glück im Unglück! Der ärztlichen Kunst, aber vor allem seinem unbändigen Willen, gesund zu werden, verdankte er seine Rückkehr ins Leben. Noch während des Krieges, der rechte Arm versteift, nur eine halbe Lunge, begann er sein Studium als Bauingenieur. Die Begabtenförderer hatten ihn nicht vergessen. Als der Krieg zu Ende war, hatte er 3 Semester erfolgreich beendet, mit 8 Klassen Volksschule, doch die Dozenten erkannten seinen Fleiß, Ehrgeiz und seine Begabung und unterstützten ihn, wo sie konnten.
Das Zurück nach Düben war beschwerlich, seine Heimatstadt war eine Halbinsel, die Nazis hatten die Muldebrücke gesprengt und so eine wichtige Lebensader getroffen. Die damaligen Fachleute hoben abwehrend die Hände, Brückenneubau, wir nicht. Horst Stahnisch war zur russischen Kommandantur beordert, befragt, und er sagte: „Ich werde eine neue Brücke bauen...“. Es galt aber gleichzeitig, das Stahlgerüst der alten Brücke aus dem Flussbett zu bergen. Die Tragfähigkeit war für 12 Tonnen vorgesehen, wurde aber kommentarlos auf 25 Tonnen erhöht. Die Materialbeschaffung war problematisch, das Zauberwort hieß „organisieren“, legal, aber oftmals illegal. Wichtig auch wurde seine Verbindungen zu den Bauern. So manches Schwein musste sein Leben lassen, für einen wichtigen Holzbalken, aber auch für das leibliche Wohl der Arbeiter. Der „Goldene Löwe“ war Baustellenkneipe, und Horst Stahnisch war Planer, Konstrukteur, Mädchen für alles. Ein Fachmann aus Halle überprüfte die Unterlagen seiner Pläne. Sein Urteil: „Hier gibt es nichts zu beanstanden ...“.
Im November 1945 wurde die Brücke ihrer Bestimmung übergeben, der Stadt war ein wichtiges Stück Normalität zurückgebracht. In Höxter setzte er 1946 sein Studium fort und beendete es erfolgreich. Die Universität hatte einen guten Ruf und die Absolventen erhielten verlockende Angebote. Auch Horst Stahnisch. Doch er kehrte in seine Heimatstadt zurück, hier waren seine Eltern und hier warteten wichtige Arbeiten auf ihn. Horst Stahnisch wusste, dass der Sport, besonders der Fußball, eine große Bedeutung hatte, die Menschen nach dem Krieg wieder aufzurichten, ihnen ihr verlorengegangenes Selbstwertgefühl zurückzugeben, sie brauchten wieder Freude und Abwechslung.
Der Sportplatz am Schwarzen Berg konnte natürlich keine Dauerlösung sein. Am 1.6.1947 war Baubeginn des Sportplatzes am Moorbad. Im Juni 1949 erfolgte die Einweihung. Leiter und Organisator war natürlich unser Horst Stahnisch, die Pläne entstanden auf seinem Reißbrett. Interessant ist noch, es gab damals schon Sponsoren (ein Herr Bröse), Dübener Bürger, ein Freund von Horst Stahnisch, verpflichtete sich, 1/100 der Gesamtplatzbaukosten in monatlichen Raten zu übernehmen, beginnend am 15.10.1947. Der Platz am Moorbad wurde zum Publikumsmagneten in den 50er und 60er Jahren. Durch seine berufliche Tätigkeit in Wolfen verpflichtete er höherklassige Mannschaften und sorgte für fußballerische Höhepunkte. Seine federführende Hand war überall zu spüren, er war Sektionsleiter, technischer Leiter, Mannschaftsbetreuer, er organisierte die Fahrten und schrieb die Spielberichtsbögen.
Bis August 1961 verpflichtete er Mannschaften aus Kiel, Nürnberg und Paderborn, nach dem Mauerbau knüpfte er Verbindungen zu technischen Vereinen. An den Wochenenden war echte Volksstimmung am Moorbad-Platz, mit heutigem Vokabular: es war eine geile Stimmung! Schon 1956 wurde bekannt, dass auf dem Sportplatz am Moorbad ein Gästehaus für den Kurbetrieb gebaut werden sollte. Wieder war ein neues Stadion gefragt, aber dazu brauchte man ein passendes Gelände. Kein anderer als Horst Stahnisch hätte die Verhandlungen mit dem Besitzer diplomatischer und erfolgreicher führen können, es war ein hartes Stück Überzeugungsarbeit.
1957 begann Horst Stahnisch als ehrenamtlicher Projektant. 1958 war Baubeginn, er kannte die Fachleute mit Baggern und Planierraupen, das neue Wort für „organisieren“ hieß „Beziehungen“, und die hatte er auch diesmal. Jetzt hatten die Schweine nichts mehr zu befürchten, jetzt brauchte man einen Kasten Krostitzer (mit Maikäferbier war da nichts zu machen) und eine Flasche Nordhäuser Doppelkorn und siehe das klappte.
Eine sagenhafte Bewegung von freiwilligen Helfern hatte er in Gang gesetzt. Von 1958 bis 1965 wurden 10.105 Aufbaustunden geleistet. 774 Stunden allein von der Familie Stahnisch: Vater Max, Mutter Olga und Sohn Horst. Als Freund des Hauses war ich auch mit 107 Stunden beteiligt. Die Helfer kamen aus allen Bereichen: kaum eine Sparte, die nicht vertreten war: Fußball, Schule, Lehrer, Feuerwehr, Hausfrauen, Fernmeldetechniker, Turner, Leichtathleten ...
Pfingsten 1965 war die feierliche Einweihung mit dem Eröffnungsspiel gegen Okula Nyrsko. Für mich, ich war damals Spielführer, unvergesslich, weil ich das erste Tor im neuen Stadion schoss, und was für eine Granate. Wie sollte das neue Station heißen: ernsthaft im Gespräch war natürlich Horst – Stahnisch – Stadion, aber unser Horst war viel zu bescheiden, sein Vorschlag „Sportplatz Muldenaue“ wurde akzeptiert und realisiert.
Seine berufliche Tätigkeit ist bisher wenig erwähnt worden, aber er war in der Filmfabrik Wolfen eine Persönlichkeit, ein anerkannter Bauleiter, Chef einer Abteilung mit einigen 100 Angestellten, zum Oberingenieur ernannt und mit vielen Auszeichnungen bedacht. Nach seinem Ausscheiden aus dem Berufsleben 1981, wie konnte es anders sein, stellte er seinen reichen Erfahrungsschatz der Baukommission unserer Stadt zur Verfügung.
Eine kleine Anmerkung von mir: Im Mai 2001 besuchte ich mit meiner Frau den Soldantenfriedhof in Marleme auf Kreta; 60 Jahre waren nach der todbringenden Nacht des II. Weltkrieges vergangen, wir gingen schweigend durch die Gräberreihen, und die Namen und die Jahrgänge, u.a. auch Jahrgang 21, weckten Erinnerungen ...
Wir fragten uns: Was hätte aus diesem hoffnungsvollen jungen Menschen werden können...? Horst Stahnischs Lebenslauf gibt uns die Antwort darauf! Wir können Stolz sein, solch einen Dübener hier auszuzeichnen. Zu Beginn meines Vorschlages hatte er Bedenken, doch heute Nachmittag hatte er Tränen in den Augen. Er bedauert natürlich sehr, die Auszeichnung hier nicht entgegenzunehmen. Aber wir haben würdige Vertreter.